Im folgenden Interview beantwortet eine Expertin sechs Fragen zu Risiken, Früherkennung und aktuellen Entwicklungen im Lungenkrebs-Screening.
Lungenkrebs: Eine Expertin erklärt die Bedeutung der Früherkennung und moderne Screening-Methoden

Interview mit Prof. Dr. med. Isabelle Schmitt-Opitz
Klinikdirektorin der Klinik für Thoraxchirurgie,
Universitätsspital Zürich (USZ)
Frage 1: Lungenkrebs ist eine der tödlichsten Krebserkrankungen. Wie stark verbessert eine frühzeitige Diagnose die Überlebenschancen?
Antwort Frau Prof. Schmitt-Opitz: Lungenkrebs, auch Lungenkarzinom genannt, ist weltweit und auch hier in der Schweiz leider nach wie vor die tödlichste Krebsdiagnose. Die Prognose bei Lungenkrebs, gemessen als 5 Jahres-Überlebensrate im Stadium I, ist bis zu 90%, wohingegen im fortgeschrittensten Stadium (Stadium IV) die 5 Jahres-Überlebensrate nur noch bei 5–15% liegt. Da der Lungenkrebs in Frühstadien oft keine Symptome verursacht, bleibt er länger unentdeckt. Die oben genannten Zahlen machen klar, dass je früher ein Lungenkrebs diagnostiziert und behandelt wird, umso besser ist auch die Überlebenschance der Betroffenen.
Frage 2: Welche Risikofaktoren sind in der Schweiz am bedeutendsten?
Antwort Frau Prof. Schmitt-Opitz: Der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung eines nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) ist nach wie vor der Tabakkonsum, wobei das Risiko mit der Anzahl der sogenannten «Packungsjahre» (Masseinheit zur Quantifizierung der lebenslangen Rauchbelastung von Raucherinnen und Rauchern) und der Rauchdauer deutlich steigt. Auch Passivrauchen kann die Wahrscheinlichkeit einer Lungenkrebs-Erkrankung erhöhen. Neben Zigaretten spielen auch Zigarren-, Pfeifen- und Marihuana-Rauch eine Rolle. Während das Rauchen traditionell vor allem mit dem Plattenepithelkarzinom und kleinzelligen Karzinomen assoziiert ist, nimmt die Häufigkeit von Adenokarzinomen bei Nichtraucherinnen und Nichtrauchern zu.
Neben dem Rauchen gelten auch verschiedene Umwelt- und Berufsexpositionen als bedeutende Risikofaktoren. Dazu zählen insbesondere Radon, das nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache und die wichtigste bei Nichtrauchern darstellt, sowie Asbest, das in Kombination mit Tabakkonsum ein besonders hohes Risiko bedingt. Genetische Prädisposition und familiäre Belastungen spielen beim Lungenkrebs ebenfalls eine Rolle. Auffällig ist zudem, dass Frauen und ostasiatische Nichtraucher häufiger Mutationen wie EGFR , ALK oder ROS1 aufweisen.
Frage 3: In einigen Ländern gibt es Lungenkrebs-Screening-Programme für Risikogruppen. Wie sehen Sie die Situation in der Schweiz?
Antwort Frau Prof. Schmitt-Opitz: In der Schweiz existiert noch kein flächendeckendes national implementiertes Screening-Programm für Lungenkrebs. Die Cancer Screening Committee Switzerland (CSC) hat 2022 eine Beurteilung («Appraisal Report») zum Einsatz von Low-Dose-CT für das Lungenkrebsscreening veröffentlicht. Aktuell liegt eine Anfrage zur Bearbeitung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) für die Kostenübernahme von Lungenkrebs-Screening vor, die von der Swiss Lung Cancer Screening Implementation Working Group (CH-LSIG) vorbereitet wurde.
Frage 4: Am USZ läuft aktuell eine Lungenkrebs-Screening Studie – können Sie uns zu dieser bereits etwas sagen?
Antwort Frau Prof. Schmitt-Opitz: Gemeinsam mit dem Institut für Radiologie läuft am UniversitätsSpital Zürich (USZ) seit 2018 eine Pilotstudie zum Thema Lungenkrebs-Screening (Abb.). Bis zum heutigen Tage wurden 426 Patientinnen und Patienten gescreened und 16 Tumore (3.7%) detektiert – eine beeindruckend hohe Zahl im Vergleich zu anderen Screening-Programmen.
Pilotstudie zur Lungenkrebs-Früherkennung am Universitätsspital Zürich
Frage 5: Warum steigt die Lungenkrebsrate bei Frauen?
Antwort Frau Prof. Schmitt-Opitz: Hauptsächlich genetische Faktoren sind wahrscheinlich verantwortlich: Treibermutationen wie EGFR, ALK oder ROS1 treten bei Frauen, insbesondere bei Nichtraucherinnen, deutlich häufiger auf und führen typischerweise zu Adenokarzinomen.
Frage 6: Seit Sommer 2024 ist am USZ ein hochmodernes Navigationssystem im Einsatz, das selbst kleinste Lungenknoten aufspüren kann. Können Sie uns die Chancen im Einsatz gegen Lungenkrebs erläutern?
Antwort Frau Prof. Schmitt-Opitz: Am USZ waren wir die erste Klinik in Europa, bei der das robotisch assistierte Navigations-Bronchoskop zusammen mit der Verwendung eines Cone‑Beam CTs zum Einsatz kam. Für eine Diagnosebestimmung können hierdurch hochpräzise selbst kleinste Knoten in der Lungenperipherie erreicht und punktiert werden. Die diagnostische Treffsicherheit liegt hier sehr hoch auch bei diesen kleinen Knoten. Durch den Einsatz dieser Technik konnten wir die Diagnose des Lungenkrebs-Frühstadiums I bei uns um 291% steigern (Juli–Dezember 2024). In der Thoraxchirurgie kommt ein ganz besonderes Verfahren zum Einsatz, wo wir in einer Vollnarkose die Diagnose und direkte Therapie in Form einer operativen Entfernung des Tumors im sogenannten «One stop shop»-Verfahren durchführen.