Alles falsch! Sieben verbreitete Falschannahmen über CED

Aktualisiert am
25. Mai 2022
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Brigitte Reinhart
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Dr. rer. nat. Brigitte Reinhart
Wer die Diagnose «chronisch entzündliche Darmerkrankung» (CED) erhält, muss lernen, mit der Krankheit umzugehen. Ein erster Schritt kann sein, sich umfassend zu informieren. Doch sind alle Aussagen, die man hört oder liest, auch wahr? Wir korrigieren sieben verbreitete Falschannahmen.
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1. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Reizdarmsyndrom sind dasselbe

Das ist falsch, denn: CED und das Reizdarmsyndrom verursachen zwar ähnliche Symptome wie zum Beispiel Krämpfe und Bauchschmerzen. Es handelt sich jedoch um verschiedene Krankheiten.

  • CED sind chronische, schubweise auftretende Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, die durch einen entzündlichen Prozess gekennzeichnet sind und eine lebenslange Behandlung erfordern.
     
  • Das Reizdarmsyndrom ist das am häufigsten diagnostizierte Magen-Darm-Leiden, bei dem die Darmschleimhaut normalerweise nicht entzündet ist. Es handelt sich vielmehr um ein symptombasiertes Leiden, das durch das Vorhandensein von Bauchschmerzen oder -beschwerden mit veränderten Stuhlgewohnheiten definiert wird, ohne dass eine andere Krankheit vorliegt, die diese Art von Symptomen verursacht.
2. CED betreffen nur den Magen-Darm-Trakt

Leider stimmt das nicht. CED können mit mehreren Begleiterscheinungen ausserhalb des Magen-Darm-Traktes verbunden sein, z. B. mit anderen chronischen immunvermittelten Krankheiten wie Erythema odosum oder der Bechterew-Krankheit. Darüber hinaus besteht bei Patienten mit CED ein höheres Risiko für Komplikationen, beispielsweise Osteoporose, venöse Thromboembolien und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

3. Ich muss operiert werden 

Das gilt nicht für alle Patienten. Bei ungefähr 20% der Patienten mit Colitis ulcerosa ist im Verlauf der Krankheit eine Operation erforderlich. Von Morbus Crohn-Patienten muss rund die Hälfte innerhalb von 10 Jahren nach der Diagnose operiert werden.

4. Ich kann nicht schwanger werden, wenn ich eine CED habe

Das ist nicht wahr. Eine Schwangerschaft ist bei Frauen mit CED generell möglich. Es gibt keine Hinweise darauf, dass bei Colitis ulcerosa und inaktivem Morbus Crohn die Fruchtbarkeit beeinträchtigt ist. Ein aktiver Morbus Crohn kann sich hingegen negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken. 

  • Wenn die Empfängnis in einer inaktiven Phase der Krankheit stattfindet, ist das Schubrisiko gleich hoch wie bei nicht schwangeren Frauen. 
     
  • Liegt die Empfängnis in einer aktiven Krankheitsphase, erhöht sich das Risiko einer anhaltenden Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft.

Es ist daher ratsam, eine Remission anzustreben, bevor versucht wird, schwanger zu werden. Die meisten Medikamente zur Behandlung von CED gelten während einer Schwangerschaft als risikoarm.

Schwangere Patientinnen und Patientinnen, die schwanger werden möchten, sollten einen Gastroenterologen hinzuzuziehen, um die Therapie zu besprechen und/oder anzupassen.

5. Eine CED wird durch das verursacht, was ich esse und mit einer speziellen Diät lässt sich die Krankheit heilen

Beide Aussagen sind nicht korrekt, denn die Ursache und die Entstehung entzündlicher Darmerkrankungen sind nach wie vor nicht völlig geklärt. Es ist nicht nur die Ernährung, vielmehr spielt eine Kombination aus genetischer Anfälligkeit und umgebungsbedingten Risikofaktoren wie Ernährung, Umweltverschmutzung, Stress, Infektionen, Rauchen und Anwendung von Antibiotika eine Rolle bei der Entwicklung einer CED.

Es gibt keine bestimmte, grundsätzlich empfehlenswerte Form der Ernährung bei CED, um bei Patienten mit aktiver Krankheit eine Remission zu begünstigen. Patienten mit CED sollten aber im Rahmen des multidisziplinären Ansatzes individuelle Ernährungsempfehlungen von einem Diätologen oder Ernährungsspezialisten erhalten, die auf ihre konkrete persönliche Situation zugeschnitten sind. CED-Patienten mit aktiver Krankheit sollten auf Mangelernährung untersucht werden und im Falle eines bestätigenden Befunds eine Ernährungsberatung erhalten.

CED kann nicht durch Ernährung geheilt werden. Allerdings zeigt beispielsweise die Low-FODMAP-Diät positive Ergebnisse bei der Verringerung gastrointestinaler Symptome bei Patienten mit inaktiver CED.

6. Ich werde inkontinent

Das lässt sich so allgemein nicht sagen. Tatsächlich können 24% bis 74% der Patienten mit Colitis ulcerosa eine Stuhlinkontinenz entwickeln. Allerdings leiden nur 9% an regelmässiger Stuhlinkontinenz, und es hat sich gezeigt, dass diese bei 80% der Patienten mit inaktiver CED durch Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur gebessert wird.

7. Wenn ich CED habe, bekomme ich Darmkrebs

Bei Patienten mit einer CED ist die Wahrscheinlichkeit, ein kolorektales Karzinom zu entwickeln, um das 2- bis 6-Fache erhöht. Dieses Risiko beginnt in der Regel 8 bis 10 Jahre nach der Erstdiagnose. Die überwiegende Mehrheit der Patienten entwickelt jedoch keinen Krebs. So liegt der Anteil der Patienten mit Colitis ulcerosa, die nach 30 Jahren Darmkrebs entwickelt haben, zwischen 3,5 und 7,5%. Regelmässige Vorsorgeuntersuchungen und Überwachung sind der Schlüssel zur Früherkennung, Behandlung und Prävention eines kolorektalen Karzinoms. 



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Medical Services Manager, MSD Schweiz

Brigitte Reinhart ist ausgebildete Molekularbiologin und Gentechnologin. Sie ist sehr erfahren in angewandter medizinischer Forschung und arbeitet seit mehr als 15 Jahren in medizinischen Abteilungen grosser pharmazeutischer Unternehmen. Als Medical Services Manager von MSD stellt sie die Qualität und Richtigkeit der hier veröffentlichten Inhalte sicher.

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